Saisonstatistiken des FC Erzgebirge Aue

Regionalliga Nordost 1999/00

Spielbericht

25. Spieltag - Samstag, 25.03.2000 - 14:00

FC Erzgebirge Aue - 1. FC Union Berlin 2:1 (0:1)


FC Erzgebirge Aue: Sven Beuckert - Hagen Schmidt, Steven Zweigler, Frank Seinig (75. Pavel Vasicek) - Peter Heidler (46. Marian Pagels), Borislav Tomoski, Radek Sionko, Petr Grund - Harun Isa, Marek Nowacki (63. Falk Terjek), Jörg Kirsten; Trainer: Gerd Schädlich

1. FC Union Berlin: Kay Wehner - Tom Persich, Jens Härtel, Adalbert Zafirov - Michael Zechner (80. Dion Popov), Hristo Koilov, Jens-Uwe Zöphel, Chibuike Okeke, Ronny Nikol - Jiri Balcarek (75. Aidas Preiksaitis), Steffen Menze (80. Fabio Nogueira De Souza); Trainer: Georgi Wassilev

Tore: 0:1 Hristo Koilov (11.); 1:1 Falk Terjek (78.); 2:1 Radek Sionko (80.)

Schiedsrichter: Franz-Xaver Wack (Biberbach)

Zuschauer: 5400

Gelbe Karte: Jörg Kirsten (4.), Hagen Schmidt (9.) / Adalbert Zafirov

Gelb/Rote Karte: - / Hristo Koilov (58., wiederholtes Foulspiel)

Doppelt per Kopf zum Sieg

So schnell geht's im Fußball. Bis zur 60. Minute gab es am Samstag im Lößnitztal kaum Ansatzpunkte, die für einen 2:1-Sieg der Veilchen gegen Union Berlin gesprochen hätten. Bei einer Niederlage wäre der FC Erzgebirge wieder etwas vom Kurs 3. Liga abgekommen. Doch am Ende herrschte eitel Sonnenschein, lag sich die lila Fangemeinde in den Armen. Der FCE, nun wieder Tabellendritter, machte einen 0:1 Rückstand mit einem Doppelschlag per Kopf in der 78. und 80. Minute durch den eingewechselten Falk Terjek und Radek Sionko weg. "Der Sieg ist schön, aber wir brauchen mindestens 53 bis 55 Punkte, dann sind wir sicher in der 3. Liga", meinte Terjek nach der Gratulationskur im Stadionrund. Doch eigentlich hätten die Erzgebirger auch den Berlinern kräftig die Hände schütteln müssen. Sie waren es nämlich in erster Linie, die mit drei schwerwiegenden Fehlern den Triumph der Auer ebneten. Zuerst ließ sich der schon gelb-belastete Union-Torschütze Hristo Koilov zu einem Foul im Mittelfeld hinreißen. Sein Vergehen und die folgende Ampelkarte brachte sein Team in der letzten halben Stunde in Unterzahl und setzte beim Gastgeber neue Kräfte frei. Und auch bei den Auer Treffern selbst halfen die Berliner maßgeblich mit. Zunächst boxte Keeper Kay Wehner die Fäuste in die Luft, anstatt gegen den Ball, so dass Terjek einköpfen konnte. Zwei Minuten später schien Jens Härtel von allen guten Geistern verlassen. Mit dem katastrophalen Schnitzer erwies der Union-Libero seinem ehemaligen Zwickauer Coach Gerd Schädlich einen freundschaftlichen Dienst. Völlig unbedrängt schob er das Leder im eigenen Strafraum zu Marian Pagels, der zu Sionko flankte. Der Tscheche bewies eindrucksvoll seine Kopfballstärke. FCE-Trainer Schädlich wird mit seiner Mannschaft trotz der öffentlichen Umarmung ("Ich kann ihr nicht viel vorwerfen") intern sicher anders sprechen. In der Halbzeitpause tat er dies bereits. Denn in der ersten Spielhälfte hatten sich seine Schützlinge vor dem Spitzenreiter, um es deutlich zu sagen, in die Hosen gemacht. Die Mannen von Trainer Wassilev waren meist einen Tick schneller am Ball und den Auern auch gedanklich voraus. "Das glich Angsthasen-Fußball. Gegen so eine spielstarke Truppe sieht man da alt aus", meinte Aues Aushilfs-Libero Steven Zweigler. Er machte wie Manndecker Frank Seinig, der für den verletzten Kapitän Enrico Barth spielte, seine Sache gut und erhielt vom Trainer wie auch Terjek eine Streicheleinheit. "Unsere Einwechsler haben sich gut in Szene gesetzt, auch Seinig erfüllte seine Aufgabe", lobte Schädlich. Der Sieg war letztlich durch das Aufbäumen nicht unverdient. Die Auer wollen dennoch weiter von Spiel zu Spiel schauen. Gerd Schädlich müht sich redlich, nicht zu viel Euphorie aufkommen zu lassen. Schon diese Woche steht die gewiss nicht leichte Aufgabe in Eisenhüttenstadt an. Vielleicht wieder mit Libero Zweigler. Der 33jährige Routinier verschmitzt: "Alt ist man erst, wenn man nicht mehr laufen kann." Diese Fähigkeit konnte man ihm wahrlich nicht absprechen. Thomas Prenzel, Freie Presse, Montag 27. März 2000

Radek Sionko (lila Trikot) trifft zum 2:1, rechts Unions Jens Härtel. Foto: Kruczynski

Festung hält auch Spitzenreiter stand

FC Erzgebirge Aue kämpft Union Berlin mit 2:1 nieder - Partie hat viele Gewinner

Die Fußballer des FC Erzgebirge Aue haben das Lößnitztal zu einer uneinnehmbaren Festung gemacht, die auch von Regionalliga-Spitzenreiter Union Berlin nicht zu bezwingen war. Zwar blieben die Veilchen am Sonnabend spielerisch unter ihren Möglichkeiten. Dafür zeigten sie unermüdlichen Kampfgeist, der in der Schlussphase mit zwei Kopfballtoren zum 2:1-Erfolg belohnt wurde. Der 27. Mai könnte nun für die Auer Fußballfans eine völlig neue Bedeutung bekommen. An diesem Tag steigt auf jeden Fall ein ganz besonderes Spiel. Nur der Gegner steht noch nicht fest. Ein Kandidat ist der VfB Leipzig. Wie bei den Messestädtern, hält man auch beim FCE den ersten Sonnabend nach Saisonende für den besten Termin für das sächsische Pokalfinale. Doch es könnte ganz anders kommen. Nach dem Sieg gegen Union bleiben die Auer Kicker im Rennen um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Und an jenem 27. Mai steigt das erste Relegationsspiel zwischen Nordost- und Nord-Meister. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das Spitzenspiel gegen den souveränen Tabellenführer aus der Wuhlheide hatte viele Gewinner. Frank Seinig, der für den verletzten Kapitän Enrico Barth erstmals als Manndecker aufgeboten wurde, bestand seine Feuerprobe mit Bravour. Als der Lange das Feld verließ, gab's Beifall von den Rängen. Und auch Trainer Gerd Schädlich verpasste dem Youngster ein Extra-Lob: "Frank hat seine Sache sehr gut gemacht. Seine Auswechslung hatte taktische Gründe." Immerhin war der 24-Jährige in diesem Jahr erst zweimal über 90 Minuten im Einsatz - als Libero in der zweiten Mannschaft, nun musste er gleich vor 5.400 Zuschauern den zweitligaerfahren Steffen Menze bewachen. "Aber zu meinem Glück gilt der ja nicht als sonderlich lauffreudig", flachste der Auer. Ein gutes Händchen bewies der Coach bei den Einwechslungen. So kam Falk Terjek zu seinem ersten Treffer für den FCE, bei dem der Ex-Dresdener seine ganze Sprungkraft zur Geltung brachte. Kurz nach dem Ausgleich gab der zur Halbzeit gekommene Marian Pagels die entscheidende Flanke für das Siegtor. "Das war die Krönung. Immerhin habe ich ein halbes Jahr lang so gut wie nicht gespielt", war der Rechtsaußen happy. Und Torschütze Radek Sionko freute sich, dass er endlich auch einmal vor den Augen seiner Eltern getroffen hat. Knackpunkt im Spiel war freilich die Gelb-Rote Karte für Hristo Koilov, der nicht nur das 1:0 erzielt hatte, sondern auch die tragende Rolle im Mittelfeld der Gäste spielte. Nach seinem Platzverweis zogen sich die Berliner in die eigene Hälfte zurück, während der FCE derart den Druck erhöhte, dass sogar so gestandene Spieler wie Union-Kapitän Jens Härtel kapitale Fehler unterliefen. Die Veilchen haben gezeigt, dass sie den Kampf um Platz eins noch nicht aufgegeben haben. Wenn sie ihre beiden Nachholspiele gewinnen, dann wäre der Rückstand auf Union auf drei Punkte geschrumpft. Am 12. April wollen Aue und Leipzig das nächste Mal über den Termin für das Pokalfinale verhandeln. Wenn der Rückstand nicht wieder wächst, dann wird der 27. Mai aus Auer Sicht nicht in Frage kommen können. Uli Steudel, Freie Presse-Lokalsport Aue, Montag 27. März 2000

Harun Isa (Aue, rechts) im Zweikampf mit Tom Persich, links Okeke. Foto: Kruczynski

Henselin hänselte die Berliner: Angsthasen!

Fast zu lange mussten die Kicker-Fans rund um die deutsche Haupststadt warten, um nach Monaten wieder mal eine Niederlage von "Eisern-Union" zu erleben, Aber gerade noch zur rechten Zeit wurden die Wuhlheider von den ehrgeizigen Erzgebirglern in ihrer schon avisierten Staffel-Siegesfeier gestoppt! Und plötzlich ist die Meisterschaft wieder offen: Die "Veilchen" haben noch zwei Nachholer, können so aus eigener Kraft den Berlinern bedenklich auf die Pelle rücken. Sogar Aues Vize Martin Henselin hänselte den Kontrahenten nach dem Kampf-2:1 seiner Männer schon mal: "Die Unioner hatten bei uns doch Angst vor dem Erfolg. Mit solchen Patzern können wir sie noch greifen. Oh weh, wenn die weiter so das Nervenflattern bekommen." Aber ganz offiziell will im Lößnitztal noch niemand über die mögliche Aufstiegschance sprechen, Dennoch verriet Vereinsboss Uwe Leonhardt der MOPO: "Wenn wir auswärts "auch so engagiert kämpfen, dann ist noch mehr drin." Im Klartext: Aue will die Hauptstädter noch abfangen ! Vor rund 7.000 tollen Fans (fürs Finanzamt waren es nur 5.400 !) blieben die Lila-Weißen aber in Runde eins ihrem treuen Anhang einiges schuldig. Doch welches Team verkraftet nach vierwöchiger Punktspielpause auch mühelos den Ausfall eines Top-Abwehrduos: Udo Tautenhahn und Enrico Barths. Außerdem: Harun Isa, der eine beherzte Partie lieferte, hat viel Trainingsrückstand - musste sich nach einer Stunde schinden wie ein alter Ackergaul. Am Auer Regiepult konnte Borislav Tomoski erst nach der Pausenpauke von Coach Gerd Schädlich seine Frühjahrsmüdigkeit ablegen. Wäre da nicht ein nimmermüder Marek Nowacki an seiner Seite gewesen, wer weiß, welches Ergebnis dann das nordostdeutsche Kicker-Spitzentreffen gebracht hätte... Wolfgang Konetzke, Chemnitzer Morgenpost, Montag 27. März 2000

So ein Tag, so wunderschön... Mit der Welle bedankten sich die kampfstarken Veilchen-Kicker bei ihren treuen Fans. Foto: Konetzke

Schädlich stellte Frage aller Fragen

Helge Leonhardt ist geschäftlich und sportlich für gute Prognosen bekannt. Auch vorm heißen Hit gegen die Berliner hatte er PSR-Reporter Peter Höhne ins Mikrofon prophezeit: "Wir gewinnen 2:1" Nur auf die Torschützen Falk Terjek und Radek Sionko hatte er sich nicht festgelegt. Manager Lutz Lindemann ist zur Pause immer mit in der Kabine. Die MOPO wollte hinterher von ihm wissen: Ist Gerd Schädlich nach dem anfänglichen Angsthasenfußball total ausgerastet? "Linde" locker: "Er hat die Truppe nur gefragt, ob die tollen Zuschauer das verdient hätten." Die Antwort folgte auf dem Fuße - und Lindemann schmeckte dadurch später auch das zarte Steak (mit viel Zwiebeln von seiner Ehefrau Monika liebevoll zubereitet) besonders gut. Namen sind wohl doch Schall und Rauch: In der Auer Stadionkneipe wurde jedenfalls auch nach dem wunderbaren 2:1-Erfolg gegen das Nordost-Topteam die Bestellung von FCE-Eigengewächs Sven Beuckert erneut unter dem Namen "Peukert" notiert. Joker und Ausgleichsschütze Falk Terjek war mehr als happy: "Ich stand einfach am richtigen Fleck. Das gibt mir viel Auftrieb, denn bisher lief es nicht allzu gut für mich im Erzgebirge." Übrigens: Sein Tor widmete der Ex-Dresdner seinem fußballverrücktem Opa Günther (72). Wolfgang Konetzke, Chemnitzer Morgenpost, Montag 27. März 2000

Foto: Konetzke

Rückschlag auf der Abschiedstour

Union setzt nach dem 1:2 in Aue seinen komfortablen Vorsprung aufs Spiel

Georgi Wassilev blieb ruhig. Zumindest äußerlich. Der Bulgare, 53, Trainer des 1. FC Union Berlin, hatte sich maßlos über die 1:2-Niederlage seiner Mannschaft beim FC Erzgebirge Aue geärgert. Er brodelte innerlich, entschied aber schnell für sich, nicht noch verbal auf die Verlierer einzuschlagen. "Jeder muss über die Ursachen für unser Versagen zehn Minuten vor Schluss nachdenken", sagte Wassilev und lieferte sogleich die Begründung, warum er seine Männer nicht madig machen wollte: "Wir haben lange Zeit gut gespielt, waren ordentlich organisiert und haben Leidenschaft gezeigt."

Vor dem Spitzenspiel der Regionalliga Nordost hatte der Übungsleiter seinen Spielern einen freien Sonntag versprochen. Seine Zusage hielt er trotz des Misserfolgs ein. "Wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen", sagt Wassilev-Assistent Klaus-Dieter Helbig, "wir haben noch alles selbst in der Hand." Durch die Niederlage in Aue die Erzgebirgler sind jetzt Tabellendritter und den gleichzeitigen 1:0-Sieg von Sachsen Leipzig gegen den Dresdner SC ist der komfortable Vorsprung der Unioner gegenüber den Sachsen geschmolzen: sieben Zähler beträgt der Abstand zehn Spiele vor Saisonende, aber die Leipziger sind mit einem Spiel im Rückstand. Und Aue, das sogar noch zwei Nachholspiele bestreiten muss, lauert dahinter.

"Wir sind auf Abschiedstour", sangen die Anhänger der Berliner selbstbewusst im Erzgebirgsstadion, wo 5 400 Zuschauer das Duell verfolgten. Bei Union glauben fast alle fest an den Gewinn der Meisterschaft und den Aufstieg in Liga zwei, vor dem die ungeliebten Relegationsspiele gegen den Meister aus der Staffel Nord stehen (derzeit führt dort der VfL Osnabrück). "Wir haben das Potenzial zum Aufstieg", sagt Trainer-Assistent Helbig, aber sein Vorgesetzter Wassilev spricht öffentlich nur ungern über dieses Thema. "Die Meisterschaft geht weiter, wir müssen das Spiel in Aue schnell vergessen", forderte der Bulgare.

Sein Landsmann Hristo Koilov hatte die Berliner bereits nach elf Minuten in Führung gebracht. Er verwandelte eine scharfe Eingabe von Ronny Nikol, die Aues Torwart Sven Beukert nur abklatschen konnte, souverän. Später handelte sich der Union-Regisseur nach einer kleinen Nickligkeit eine gelbe Karte ein. Nach einem weiteren Foul an Aues Steven Zweigler sah der temperamentvolle Koilov Gelb-Rot (58.). Wassilev: "Das war wohl spielentscheidend. 30 Minuten mit zehn Mann gegen die starken Auer, das konnte nicht gut gehen." Nach Flanke von Harun Isa unterlief Union-Torwart Kai Wehner einen Ball, Terjek köpfte ein (78.). Zwei Minuten später fabrizierte Libero Jens Härtel einen Querschläger, Radek Sionko schaffte das 2:1 für Aue. "Der Ausfall von Koilov war nicht zu kompensieren", sagte Assistenztrainer Helbig, "mit ihm steht und fällt unser Spiel. Bis zu seiner Herausstellung lief es bei uns wirklich bombig."

Kurios: der Auer Harun Isa, der einst für Hertha BSC und Tennis Borussia stürmte, steht auf der Wunschliste von Union. Bislang seien seine Gehaltsforderungen zu hoch, heißt es aus der Alten Försterei. Trainer Wassilev nach dem 1:2: "Unser Interesse besteht weiter, er ist willkommen." Isas Empfehlung: Er war als Vorbereiter an beiden Auer Treffern beteiligt.

"Das Spiel hat gezeigt, dass Aue und Union die Besten in der Liga sind." Union-Trainer Georgi Wassilev. Berliner Zeitung, 27.03.2000