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Vor 40 Jahren FDGB Pokalhalbfinale Rückspiel – Wismut Kampfgeist wurde nicht belohnt


Dieser dritte Treffer für Wismut, den Alfons Babik mit dem Kopf erzielte, wurde nicht anerkannt. Konrad Schaller soll Zwickaus Torwart behindert haben. Foto: Kruczynski
Das gestrige Datum, der 22. März ist aus historischer Sicht ein ganz besonderes. Genau vor 40 Jahren fand das Rückspiel im FDGB-Pokal Halbfinale zwischen Wismut Aue und Sachsenring Zwickau im Auer Otto-Grotewohl Stadion statt. Dieses Spiel, insbesondere der unglückliche Ausgang für Aue, sorgt auch heute noch für reichlich Gesprächsstoff an den Lila-Weißen Stammtischen. Carl-Zeiss Jena und Dynamo Dresden sowie Wismut Aue und Sachsenring Zwickau hatten sich fürs Halbfinale qualifiziert. Dresden setzte sich gegen Jena mit 3-1 und 0-1 durch, nachdem man im Vorjahr gegen den gleichen Gegner im Finale mit 1-3 n.V. verlor. Für dieses Halbfinale im März 1975 ruhte die Meisterschaft. Alle Vier Spiele fanden an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden, Samstags um 15 Uhr statt. Wie in den beiden Jahren zuvor, wurden die FDGB-Pokalspiele vom Achtel- bis zum Halbfinale in Hin- und Rückspielen ausgetragen. Wismut Aue stand in der Meisterschaft, der DDR-Oberliga, auf einem 10. Platz. 5 Siege, 5 Remis und 6 Niederlagen brachten bis zum 16. Spieltag 15-17 Punkte. Im eigenen Stadion gab es bis dato nur eine Niederlage gegen den Vorjahresmeister 1.FC Magdeburg (0-1). Höhepunkt war aber zweifelslos das spektakuläre 5-3 Anfang November 1974 in der Hinrunde gegen Sachsenring Zwickau. 1-3 lag man zur Halbzeit im Lößnitztal hinten. Doch Jürgen Escher, Alfons Babik (2x) und Thomas Teubner drehten mit ihren Toren ein schon verloren geglaubtes Spiel. Halbfinalgegner Sachsenring hatte in der Meisterschaft mit 16-16 Punkten einen Zähler mehr als Wismut und belegte einen sechsten Platz. Das Hinspiel im eigenen Stadion, konnten sie knapp durch einen verwandelten Foulelfmeter von Heinz Dietzsch (45.) mit 1-0 gewinnen.

Der Zuschauer Ansturm an diesen Tag in Aue war riesig. 20.000 Zuschauer kamen ins Otto-Grotweohl Stadion. Andere Quellen berichteten von 18.000. Auf alle Fälle war es die Rekordkulisse in dieser Saison. In der Oberliga waren 12.000, drei Wochen zuvor im heimischen Stadion, gegen den HFC Chemie (2-0) die bis dato höchste Kulisse. Eine Woche zuvor zum Hinspiel waren es nur 9.000 Zuschauer, obwohl Zwickau damals das größere Stadion hatte. Zwei Tage vor dem Spiel rief die „Freie Presse“ für Verständnis für die besondere Verkehrssituation auf, denn die damalige F169 (heutige B169) war von der Bahnhofsbrücke bis zum Schlachthof (heutige McDonalds Kreuzung) teilgesperrt. Fahrzeugführer der Kreisstadt Aue und Lößnitz sollten doch bitte auf ihre Kraftfahrzeuge bei der Anreise zur Sportstätte verzichten, um die schon ohnehin begrenzten Parkmöglichkeiten den auswärtigen Fußballfreunden zur Verfügung zu stellen. Außerdem mußten die aus Richtung Karl-Marx-Stadt und Zwickau kommenden Fahrzeugführer damit rechnen, daß sie bereits in Lößnitz zum Abparken ihrer Fahrzeuge aufgefordert werden. ABO-Karten (so hießen früher die Dauerkarten) besaßen an den Stadionkassen ihre Gültigkeit, aber nur in Verbindung mit einer gelösten Banderolkarte.

Das knappe Ergebnis aus dem Hinspiel bestimmte im Rückspiel die taktische Konzeption beider Mannschaften. Die Rechnung der Zwickauer, aus einer sicheren Abwehr heraus durch schnelle Angbriffszüge den Vorsprung auszubauen, ging in der der ersten Halbzeit voll auf. Schon nach zehn Minuten, als Aues Torweart Uli Ebert einen Flachschuß des quirligen Nestler nur kurz abwehren konnte, war Bräutigam zur Stelle und sorgte für den in der Endabrechnung so wichtigen Treffer. Ebert war noch mit dem Fingespitzen dran. Kurz darauf war die Wismutabwehr erneut überspielt, doch diesmal scheiterte Bräutigam an Ebert. In dieser Zeit bis zum Ausgleich von Alfons Babik (17.), war Zwickau daruf und dran das Spiel zu seine Gunsten zu entscheiden. Nach dem Seitenwechsel spielte Wismut ein Alles oder nichts in einer beeindruckenen Art und Weise. Konrad Schaller, Dieter Schüßler und Holger Erler rissen die Initiative restlos an sich. Sachsenring, aufgeschreckt durch das schnelle Tor von Schüßler unmittelbar nach dem Seitenwechsel zum 2-1 (47.), fand nicht mehr zum Spiel. Weg mit dem Leder wurde zum Motto in den Reihen der Rot-Weißen. Nicht ein ernsthafter Schußversuch verirrte sich mehr auf Eberts Kasten. Wismut unterließ nichts aber auch gar nichts, um nach 1955 und 1959 zum dritten Mal in ein FDGB-Pokalfinale einzuziehen. Es stürmte vehement über die Flügel, kombinierte auf engsten Raum und legte einen Kampfgeist hin, der Berge zu verzetzen sch ein. Doch dann stand der Satz im Raum, der vieles überschattete und belastete: Nicht die bessere, die glücklichere Mannschaft zog ins Finale ein! Erst ahndete Schiedsrichter Rudi Glöckner ein Handspiel von Dietzsch (53.) nicht im Zwickauer Strafraum und verweigerte einem Kopfballtreffer von Alfons Babik die

Aues Thomas Teubner im Duell gegen Joachim Schykowski (Nr. 3 am Boden). Ganz links Konrad Schaller und daneben Leuschner. Foto: Kruczynski
Anerkennung wegen eines langen Beines von Dietmar Pohl und dann gab er ein weiteres Kopfballtor von Alfons Babik (84.) nicht. Dieses Tor wäre das entscheidende 3-1 für Wismut Aue gewesen. Aues damaliger Trainer Bringfried „Binges“ Müller erinnerte sich Jahre später in eiunem Interview für den Schachtscheisser: „Vor dem Spiel kam Schiri Glöckner noch zu mir und fragte mich, wo der Zwickauer Alois Glaubitz sei. Ich fragte ihn warum und er antwortete, dass Alois Glaubitz ihm eine neue Lichtmaschine versorgen wollte... Ich will damit nichts sagen, aber ich nahm das zur Kenntnis. Alfons Babik war in jener Saison ein Neuzugang aus Zwickau und schoss in diesem Spiel zwei einwandfreie Kopfballtore gegen Jürgen Croy, die aber beide abgepfiffen wurden. Letztendlich verloren wir durch das eine Auswärtstor und Zwickau zog ins Pokalfinale ein. Nach dem Spiel machte der Rundfunk mit mir ein Interview und ich sprach wortwörtlich ins Mikrofon: „Ich möchte dem Schiedsrichter für die hervorragende Leistung meinen Glückwunsch aussprechen. Das ist ihm sehr gut gelungen.“ Die Masse der Auer Zuschauer hat das verstanden und trotzdem konnte man mir juristisch nichts anhaben. Nach der Wende traf ich Rudi Glöckner und er berichtete mir, dass er nach diesem Spiel säckeweise Post aus Aue bekam. Er pfiff danach auch ein Jahr nicht mehr in Aue. Rudi Glöckner leitete als FIFA-Schiedsrichter für die DDR insgesamt 107 internationale Spiele, davon 24 A-Länderspiele. Fünf Jahre vorher pfiff er als erster und bisher einziger Deutscher ein WM-Finale (in Mexiko: Brasilien vs. Italien 4-1). Er starb 69-jährig Ende Januar 1999. Bis in die Nachspielzeit von zwei Minuten hinein, suchten die Wismut Fußballer an jenen 22. März 1975 das Geschick vergeblich zu zwingen. Es bleib beim 2-1 was schlußendlich nicht für den Finaleinzug reichen sollte. (Burg)



Alle 90 Pflichtspiele gegen Zwickau

Freie Presse, Aue | 24. März 2014-Holger Erler zum Rückspiel 1975
Geschrieben von Burg am 23.03.2015, 11:52   (5246x gelesen)