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Vor 30 Jahren – Aues Kampf um die 2. BundesligaIm Mai 1991, kam es zum Showdown in der zweitklassigen NOFV-Liga Staffel B. Noch 30 Jahre später sorgen die Erinnerungen, an die aus Auer Sicht unschönen Szenen und wie sie zustande gekommen sind, für Kopfschütteln und Unverständnis.
 Zu Beginn der Saison 1990/91 erschien diese Club-Zeitung des FC Wismut. Regelmäßig geplant, kam sie jedoch nur einmalig heraus. Foto: Archiv Burg Die Saison 1990/91 war die letzte Spielzeit der zweithöchsten Spielklasse der DDR. Da im Laufe der Saison die Wiedervereinigung vollzogen wurde und der Deutsche Fußball-Verband der DDR dem Deutschen Fußball-Bund beitrat, diente der neu gegründete Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) als offizieller Namensgeber für die einstige DDR-Liga. Den Auftakt vollzog Anfang August 1990 die Staffel B mit ursprünglich geplanten 17 Mannschaften, von denen der FC Grün-Weiß Leipzig 1990 (ehemals Chemie Leipzig) nach einer Fusion mit FSV Böhlen noch aus der Staffel B verschwindet und als FC Sachsen Leipzig in der Oberliga weiterspielt. Da die Spielpläne für die B-Staffel aber alle schon fix und fertig waren, gibt es deswegen pro Spieltag immer 2 spielfreie Mannschaften.
Nach dem bitteren Abstieg im Mai 1990 stellten sich Wismut Routiniers wie Torwart Jörg Weißflog, Steffen Krauß oder Libero Volker Schmidt mit dem Trainerduo Jürgen Escher und Konrad Schaller der Herausforderung in der DDR-Liga, Staffel B. Anfänglich lief es noch ganz gut. Doch als es nach dem Spitzenspiel (2. - 4.) gegen Kali Werra Tiefenort (7-0/h) Anfang Oktober, eine Serie von drei Unentschieden gegen Suhl 0-0/a, Nordhausen 0-0/h und Meißen 2-2/h gab, platzte bei der 3-4 Niederlage beim Chemnitzer SV (Nachfolger von Motor Fritz-Heckert KMST) die Bombe. Nach diesen vier sieglosen Spielen war die Stimmung auf dem Nullpunkt. Eine Woche später entluden sich dann „kräftige Gewitter“ im Lößnitztal. Vor dem Abschlußtraining für das Liga-Heimspiel gegen Sömmerda mußten die Trainer Jürgen Escher und Konrad Schaller sowie Manager Reinhardt Meindl ihre Sachen packen. Der Junioren-Trainer Heinz Häcker fungierte als Interimstrainer, konnte aber auch nicht die 1-2 Heimniederlage gegen den Tabellenfünften verhindern. Es sollte die letzte sein im weiteren Saisonverlauf.
Fünf Tage später hatte Aue einen neuen Trainer: Klaus Topmüller, 39 Jahre alt, verheiratet und Vater dreier Kinder. Der ehemalige Bundesligaspieler, 204 Einsätze/108 Tore für den 1. FC Kaiserslautern, ist in Aue kein Unbekannter. Erst Ende September 1990 stand er in der Uwe-Seeler-Traditionself mit Karl-Heinz Rummenige, Paul Breitner und Wolfgang Overath bei einem Benefizspiel auf dem Rasen des Otto-Grotewohl-Stadions. Seine wichtigste Aufgabe sieht der neue Trainer darin, mit dazu beizutragen, daß die Spieler schnell den Kopf freibekommen, selbstbewußter auftreten und sich auf die Stärken besinnen, die Wismut Aue seit vielen Jahren ausgezeichnet haben. 80 Prozent wird mit dem Kopf Fußball gespielt, so seine Erfahrung. Deshalb will Klaus Topmüller in Einzelgesprächen jeden Spieler eine Verantwortung vor Augen führen. "Aue ist für mich das Schalke des Osten Deutschlands. Deshalb wollen wir durch gute Leistungen jeden einzelnen Zuschauer wieder zurück gewinnen", sagte der Trainer unmittelbar nach seinem Antritt in Aue am 29. November 1990. Das Ziel Staffelsieg und 2. Bundesliga, so sein Eindruck in den ersten Tagen im Lößnitztal, hat der FC Wismut noch nicht aufgegeben. Schon in seinem ersten Spiel in Dessau sollte die Aufholjagd beginnen. Doch gegen den FC Anhalt reichte es nur zu einem 1-1. Man hatte sogar noch Glück, weil es nach dem Ausgleich der Gastgeber in der 79. Minute noch einmal brenzlig wurde für Aue, die ab der 27. Minute in Unterzahl spielten. Mit 15-11 Punkten verharrte der FC Wismut auf dem 5. Tabellenplatz.
Eine Woche später kam es zum brisanten Duell gegen den (Erz)-Rivalen aus Zwickau. Auch wenn die Bedingungen bei einer knöcheltiefen Schneedecke eigentlich dem Zufall Tür und Tor öffneten, einen gerechten Sieger fand das Spitzenspiel allemal. Für die Wismut Männer war es zudem ein lebensnotwendiger Erfolg. Dementsprechend engagiert gingen sie zu Werke. Ja sie waren hochmotiviert, denn es war schon so eine Art Endspiel am vorletzten Spieltag der Hinserie. Toppmöller ahnte schon da: „Zwickau wird wohl unser härtester Gegner bis zum Schluß bleiben.“ Für die Auer war ihr 76. Pflichtspiel gegen die Zwickauer (davon 69 Punktspiele in der Oberliga) eines der wichtigsten überhaupt. Dreimal beobachteten sie den Nachbar – mit Erfolg. Mit 5-3 Toren gewannen der FC Wismut. „Dieser Sieg nutzt uns nur etwas, wenn wir so engagiert weiterspielen. Erst wenn wir auch in Weimar gewinnen, sind wir auf den richtigen Weg“, schaute Aues Neu-Trainer schon voraus. Denn in Weimar sollte sich auch entscheiden ob Toppmöller in Aue bleibt, denn er hatte das Amt nur vorläufig bis zum Ende der Hinrunde übernommen. Eine Woche später im Auswärtsspiel auf den Lindenberg in Weimar, schaffte die Mannschaft dann auch endlich den ersten Auswärtssieg (3-0) der Saison. Das Spiel Zwickau-Tiefenort fiel aus, so ging der FC Wismut mit 19-11 Punkten als Tabellendritter in die Winterpause. Zweiter war Zwickau mit 21-7 Punkten und auf den ersten Platz stand die TSG Meißen mit 22-8 Punkten.
 Eines von vier Mannschaftsfotos in der Toppmöller-Ära. Mit diesem Kader auf dem Foto, das vor dem Heimspiel gegen Stahl Riesa im März 1991 entstand, bestritten die Veilchen die Rückrunde. Foto: Archiv Burg
In der 75 Tage andauernden Winterpause verlängerte Toppmöller seinen Vertrag in Aue, er hatte Blut geleckt. In dieser 2-monatigen Pause bewegte der prominente Ex-Fußballprofi aus der Pfalz einiges im Lößnitztal. Jedenfalls schien sein Optimismus eine solide Grundlage zu haben: „Wir wollen Staffelsieger werden und dann über die Relegation den Sprung in die zweite Bundesliga schaffen. Alle Spieler sind topfit aus der Vorbereitung auf die zweite Serie herausgekommen. Wir haben gegen höherklassige Mannschaften zum Teil sehr gut ausgesehen. Jetzt müssen wir noch die Zuschauer zurückgewinnen, damit Wismut Aue wieder die Fußball-Macht wird, die es mal war." Ein wichtiger Schwerpunkt in Trainer Toppmöllers bisheriger Arbeit lag im psychologischen Bereich. Viele Einzelgespräche habe er geführt, dabei die Probleme eines jeden kennengelernt. John Bemme, der „total in der Versenkung verschwunden war", fischte der Coach wieder heraus, weil solche spielerisch begabte Typen in sein Konzept des offensiven, auf Sieg orientierten Fußballs genau passten.
Nach dem erfolgreichen Rückrundenstart unter Flutlicht gegen Wismut Gera (2-0) am 1. März 1991 ist bei den Auer Mannschaft das Selbstvertrauen wieder da. Alle glauben fest daran, daß der Staffelsieg noch erreicht werden kann. Trainer Toppmöller meinte nach dem Sieg: „Wir haben verdient gewonnen. Die Aggressivität in den Zweikämpfen stimmte. Kompliment an Dirk Vollmar, der ein Riesenlaufpensum absolvierte und an die Zuschauer, die uns großartig unterstützten.“ Die beiden Tore fielen aus sogenannten Standardsituationen. Reichel schmetterte kurz vor der Halbzeit einen zu kurz abgewehrten Eckball unter die Latte, und Persigehl köpfte in der 61. Minute einen Freistoß von Volker Schmidt ins Netz. Dem Geraer Torhüter Gottschalk war es zu verdanken, daß sich die Niederlage der Thüringer in Grenzen hielt. Die 3.600 Zuschauer an einem Freitagabend waren für Ligaverhältnisse beachtlich. Eine Woche zuvor am 24. Februar fiel der eigentliche Rückrundenstart (u.a. Ilmenau-Aue) den widrigen Platzverhältnissen zum Opfer. Alle Spiele in den beiden Ligastaffeln A und B fielen somit komplett aus.
 Programm-Cover vom Auer Spiel bei Kali Werra Tiefenort am 7. April 1991. Foto: Archiv Burg Danach gingen die nächsten Spiele gegen Riesa/H, Borna/A und Thale/H mit Siegen jeweils an Aue. Rivale Zwickau zeigte ebenfalls keine Blöße und siegte mit Neu-Trainer Gerd Schädlich, der seit Januar 1991 das Sagen beim FSV hatte, auch konstant. Spätestens als Zwickau mit 4-0 bei der TSG Meißen gewann, war es dann nur noch im Prinzip ein Zweikampf zwischen Aue und Zwickau um diesen begehrten 1. Platz der zur Aufstiegsrelegation zur 2. Bundesliga berechtigen sollte. Doch ausgerechnet als Zwickau dann doch mal patzte wie Ende März in Sömmerda (1-1) und Aue den Abstand etwas verkürzen konnte, leisteten sich die Veilchen eine Woche später am Karfreitag ebenfalls einen Ausrutscher. Nach dem torlosen Remis beim 1. FC Markkleeberg stapfte Toppmöller ohne ein Wort zu sagen in die Kabine. Zwickau siegte zeitgleich mit 2-1 im Heimspiel gegen Dessau. Dann kamen die Thüringer Wochen für den FC Erzgebirge. Viermal in Folge ging es gegen Mannschaften aus diesen Bundesland. 20-4 Tore und 7-1 Punkte lautete die Bilanz. Alleine Stefan Persigehl traf in Ilmenau (10-1) und in Tiefenort (5-1) jeweils 4-mal ins Tor. Im Heimspiel gegen Suhl reichten zwei Tore von René Hecker nicht für einen fest eingeplanten Sieg. Nach einer 2-0 Führung für Aue in der 54. Minute stand es am Ende 2-2. So blieb es beim alten Punkte Abstand. Aue besaß kurzfristig ein deutliches Plus in der Tordifferenz, jedoch konnte dies Zwickau im Nachholer aus der Hinrunde gegen Tiefenort (4-0) und auch gegen Ilmenau (9-0) wieder ausgleichen. Zudem bekamen sie Zwei Punkte am grünen Tisch. Das Heimspiel gegen Suhl war Anfang April ausgefallen, weil die Suhler Amateure nicht anreisen konnten - was lange vorher bekannt war. Die ausgefallene Begegnung wurde für Zwickau mit 2-0 Toren und 2-0 Punkten für gewonnen erklärt.
 Stefan Persigehl, Aues bester Schütze in jener Saison, nach der Partie gegen den Chemnitzer SV (1:1). Mit 23 Treffern stellte er eine Bestmarke in der Auer Fußballgeschichte auf. So viele Tore gelangen bis heute keinem Spieler innerhalb einer Punktspielrunde. Foto: Frank Kruczynski Ende April konnte Aue den Rückstand auf nur noch 2 Punkte Rückstand verkürzen. Aue mußte zum Tabellenfünften Meißen und Zwickau zum Siebenten Gera. Nach den zuletzt schwachen Spielen der Meißner hatten sich die Gäste aus Aue diese Aufgabe sicherlich leichter vorgestellt, zumal bei den Gastgebern vier wichtige Spieler fehlten. Die Gastgeber war mit ihren schnellen Kontern über Stolze und Hollmann stetig gefährlich, und Aues Keeper Weißpflog mußte einige Male sein ganzes Können aufbieten, um einen Rückstand zu vermeiden. Das Spielgeschehen schien sich schon auf ein Unentschieden einzupegeln, ehe in der 89. Minute René Hecker eine Flanke von der Grundlinie mit platziertem Kopfball zum 1-0 Auswärtssieg abschloß. Rivale Zwickau verlor einen Tag später mit 1-3 in Gera. Doch die Woche darauf folgte der Euphorie wieder Ernüchterung. Im Handstreich wollte man gewissermaßen durch einen Heimerfolg gegen den Chemnitzer SV mir Ex-Wismut Trainer Manfred Fuchs an die Tabellenspitze und wenn es nur für eine Nacht gewesen wäre. Daraus wurde aber nichts. Vier Minuten vor Spielschluß erlitten die Siegeshoffnungen durch den 1-1 Ausgleich einen argen Dämpfer, lösten aber keinen Katzenjammer aus. Trotz des verlorenen Punktes gibt man in Aue die Hoffnungen auf den ersten Tabellenplatz noch nicht auf. Einer, der weiter auf das Prinzip Hoffnung setzte, war vor allem Trainer Klaus Toppmöller. Der Pfälzer hielt an der Mannschaft fest: "Noch ist nichts verloren. Die Entscheidung wird erst im vorletzten Spiel in Zwickau fallen, und da haben wir noch unsere Chancen", so der Standpunkt Toppmöllers. Von ihm und seinen Assistenten Heinz Eisengrein und Holger Erler wird in den nächsten Wochen vor allem viel pädagogisches Geschick notwendig sein, um die Mannschaft für die Endphase zu motivieren. Deshalb kündigte der Auer Trainer - übrigens neben Uwe Reinders in Rostock der einzige aus den alten Bundesländern im ostdeutschen Fußball - an, mit jedem Spieler Einzelgespräche zu führen und sie auf die kommenden Aufgaben einzuschwören. Mit einem wird er das etwas ausgiebiger machen müssen: seinem Kapitän und Torhüter Jörg Weißflog, dem ehemaligen DDR-Auswahlkeeper. Bei ihm wechseln Licht und Schatten zu rasch. Noch in Meißen rettete er mit glanzvollen Paraden den Sieg. Nun leistete er sich einen kapitalen Fehler, der zum Ausgleich führte. Das 1-0 in der 51. Minute besorgte übrigens André Köhler, der einen Freistoß von Jens König am langen Pfosten einköpfte. Jener Köhler verließ zu DDR-Zeiten im Sommer 1989 die Wismut-Mannschaft bei einem Intertotospiel in Göteborg und flüchtete mit seinen Mannschaftskameraden Jens König und Thomas Weiß nach Kiel auf bundesdeutsches Gebiet. Über die Stationen St. Pauli und Stuttgart kam er zu Eintracht Frankfurt. Dort bekam er einen Profivertrag bis 1992, bekam aber keine Einsätze. Im November 1990 ließ er sich ins Lößnitztal zum FC Wismut ausleihen obwohl auch der damals neue FC Sachsen Leipzig an ihm dran war, aber Aues damaliger Manager Reinhardt Meindl war schneller als der FC Sachsen. Köhler bestritt in der Saison 17 Spiele und erzielte 3 Tore.
Nach dem Rückschlag gegen den Chemnitzer SV war klar das sich sie Aue nun keinen Ausrutscher mehr leisten konnten. Es folgten zwei hauchdünne 1-0 Siege kurz vor Toreschluß. In Sömmerda erlöste Jozef Medgyes zehn Minuten vor dem Schlußpfiff seine Mannschaft und im folgenden Heimspiel gegen Dessau war es Steven Zweigler der in der 89. Minute im Anschluß an die 28. Ecke das erlösende Siegtor erzielte. Trainer Klaus Toppmüller sprach nach dem Match von dem schwersten Spiel seiner Trainerlaufbahn: "Ich habe gelitten wie nie zuvor." Jubel in Aue als das Ergebnis aus Thale bekannt wurde, Zwickau büßte beim 0-0 einen Punkt ein.
Nun kam es also zum langersehnten und sicherlich alles entscheidenden Meisterschaftsspiel in der Liga Nord-Ost Staffel B zwischen dem Tabellenführer FSV Zwickau (44-12 Punkte/+ 44 Tore) und dem hartnäckigsten Verfolger und Tabellenzweiten FC Wismut Aue (42-14/+43 Tore). Die Zwickauer hatten die große Chance, bei einem Sieg Staffelsieger zu werden, diese günstige Gelegenheit wollte man sich natürlich nicht entgehen lassen und zudem für die 3-5 Hinspielniederlage in Aue Revanche nehmen.
 Zweikampf zwischen Aues Volker Schmidt und Torsten Viertel vom FSV im Spiel am 22. Mai 1991. Foto: Frank Kruczynski Doch Wismut Aue hieß dann der große Sieger des vorletzten Spieltages in der Fußball-Liga aus sportlicher Sicht. Die Zwickauer Mannschaft, die schon in Thale beim 0-0 keine gute Figur gemacht hatte, wurde in keiner Phase des Spieles Herr ihrer Nerven und damit ihrer spielerischen Mittel. Schreiber setzte, nachdem es schon 2-0 für den Gast stand, einen Elfmeter in die zweite Etage. Als sich die Schädlich-Schützlinge wenigstens einigermaßen gefangen hatten, war das Spiel schon entschieden. Zuvor verteilten sie an den Rivalen aus Aue Einladungen zum Toreschießen en masse, die der Gast auch konsequent angenommen hat. Innerhalb von drei Minuten erzielten Steven Zweigler per Kopf und René Hecker nach klassischem Konter mit scharfem Flachschuß die Auer Tore eins und zwei. Als König mit einer direkt verwandelten Ecke den unsicheren Heinrich im Zwickauer Tor überlistete, war die Entscheidung praktisch gefallen. "Konter kalt wie Hundeschnauze", lobte Aues Trainer Toppmöller. Zwar schöpften die Gastgeber noch einmal Hoffnung, als Schreiber mit einem Freistoßtor noch einmal verkürzte, aber auch in der zweiten Hälfte ließen sich die Auer kaum in Bedrängnis bringen, kontrollierten das Spiel und hatten selbst noch Möglichkeiten. Stefan Persigehl holte wenige Minuten vor dem Abbruch mit seinem insgesamt 22. Punktspieltor in dieser Saison den vierten Auer Treffer heraus und belohnte die disziplinierte Leistung seiner Mannschaft.
Die über 11.000 Zuschauer erlebten dann aber so gegen 18.50 Uhr im Zwickauer Georgi-Dimitroff-Stadion eine Fußball-Tragödie. Beim Stande von 4-1 für Wismut Aue im Spiel gegen den bisherigen Tabellenführer der Liga-Staffel B FSV Zwickau mußte der Dresdener Referee Klaus Peschel die Begegnung abbrechen. Schon zur Halbzeitpause entlud sich der Zorn jugendlicher Zuschauer und Randalierer über die konfuse Leistung ihrer FSV-Mannschaft in einer Steinschlacht mit Anhängern in der Auer Fankurve. Hier waren Polizeikräfte präsent und hatten die Lage noch im Griff. Als kurz nach Wiederanpfiff des völlig überforderten Schiedsrichters Peschel aus Dresden zwei Randalierer über den Absperrzaun kletterten und quer über das gesamte Spielfeld liefen, erkannten die Verantwortlichen immer noch nicht die Gefahr, die von dieser Gruppe ausging. So kam was kommen mußte, und was viele Zuschauer schon zur Halbzeit befürchteten: Während eines Handgemenges zwischen den Spielern beider Mannschaften nach dem Platzverweis Köhlers (Aue) stürmten zum Teil vermummte Rowdys auf den Platz, machten Jagd auf die Auer Spieler und das Schiedsrichterkollektiv.
„Das habe er bisher noch nicht erlebt", meinte der damalige FC Wismut Geschäftsführer Lothar Schmiedel, nach seinen Worten sei am Donnerstag oder Freitag nach dem abgebrochenen Spiel mit der Verhandlung des Vorfalls vor dem Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballs Verbandes zu rechnen. In einer offiziellen Stellungnahme fordert der FC Wismut eine sportlich gerechte Entscheidung. Nach Meinung des Geschäftsführers könne es nicht sein, daß Zwickau nach den Sonntagspielen möglicherweise mit einem besseren Torverhältnis den Staffelsieg erringt. Betont wird durch die Geschäftsleitung außerdem daß kein Auer Fan das Spielfeld betreten hatte, wofür den Wismut Fanclubs nach Lothar Schmiedels Worten ein Dank gebührt. Über mehrere Wochen hinweg hatte der FC Wismut das Spiel vorbereitet, stand ständig im Kontakt mit den Fanclub-Leitern.
Während die Spieler, nachdem sie vom Spielfeld geflüchtet waren, unter der Dusche standen, wurden vor dem Stadion die 3 Fan-Busse mit Auer Fans mit Steinen beschossen und quasi fast völlig entglast. Vier verletzte Spieler des FC Wismut Aue, Elf zerschlagene Seitenscheiben und vier beschädigte Frontscheiben. Dazu Lackschäden durch Steinschläge auf mindestens 30.000 DM wird der durch Zwickauer Randalierer verursachte Schaden an den Bussen des Wismut-Transportunternehmens geschätzt. „Wir können uns nicht so recht freuen über diesen Sieg, wenngleich wir sportlich die eindeutig bessere Mannschaft waren, " kommentierte Aues Trainer Klaus Toppmöller. „Ich habe in meiner Laufbahn, so unter anderem in Kaiserslautern auf dem Betzenberg, viele Schlachten geschlagen, doch das hatte mit Fußball nichts mehr zu tun," fügte er enttäuscht hinzu. Erst mehr als eine Stunde nach dem Spiel konnte sich der Auer Mannschaftsbus in Bewegung setzen, ohne Gefahr zu laufen, von Randalieren demoliert zu werden.
 Skandalspiel in Zwickau am 22. Mai 1991. Polizei muss eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Foto: Frank Kruczynski ln einem Gespräch mit dem verantwortlichen Einsatzleiter der Polizei, stellte dieser heraus, daß bereits mit Bekanntwerden des Spiels im April von seiten der Polizei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß mit Ausschreitungen bei dieser Begegnung zu rechnen sei, und daß der bauliche Zustand des Stadions den minimalen sicherheitstechnischen Erfordernissen für die Durchführung des Spieles nicht entsprechen würde. Bekannt sei das Problem seit 1983, und ließe es sich auch nicht mit Erhöhung von Ordnungspersonal kompensieren. Daraufhin sei angeraten worden, den Ort der Begegnung zu verlegen. Nach der Festlegung, daß das Treffen doch im Zwickauer Stadion durchgeführt wird, habe man in Beratungen mit dem Veranstalter vereinbart, daß dazu ein erhöhter Kräfteeinsatz der Polizei und ein verstärkter Ordnereinsatz durch den Veranstalter erforderlich ist. Durch den Veranstalter wären insgesamt 115 Ordner, Kraftsportler und Judoka zugesichert worden, die laut Einsatzkonzept an den neuralgischen Punkten, wie Einlaßkontrolle der Besucher, an den Aufgängen, Pufferzone zwischen den Fanblöcken und hinter den Fanblöcken eingesetzt werden sollten. Aber, so die Einschätzung des Einsatzleiters, all diesen Forderungen sei der Veranstalter nicht konsequent nachgekommen. Die Polizeikräfte mußten situationsbedingt diese Aufgaben mit übernehmen, um die Ordnung und Sicherheit von Beginn an zu gewährleisten. Der eigentliche Polizeieinsatz auf dem Spielfeld in der zweiten Halbzeit habe sich daher verzögert.
Zwickau kam glimpflich davon. Das Spielgericht beim Nordostdeutschen Fußballverband entschied 2 Tage später am Freitag-Nachmittag: Das in der 66. Minute abgebrochene Spiel in der Liga Nordost, Staffel B, zwischen dem FSV Zwickau und dem FC Wismut Aue geht mit dem Stand von 4-1 für Aue in die Wertung. Darüberhinaus werden dem FSV sicherheitstechnische Auflagen erteilt. Außerdem erhielt der FSV Zwickau eine Geldstrafe in Höhe von 1.250 DM als Quittung für mangelnde Sicherheitsvorkehrungen. Das Georgi-Dimitroff-Stadion bleibt für den Fußball-Spielbetrieb bis zum 9. Juni gesperrt. Solange die zusätzlich erteilten Auflagen hinsichtlich Ordnung und Sicherheit unerfüllt bleiben, dürfen auch keine Relegationsspiele und DFB-Pokalspiele ausgetragen werden. Es blieb aber in einer Hinsicht ein fader Nachgeschmack. Der nähmlich, daß Zwickau mit einem möglichen hohen Sieg in Tiefenort nach Toren durchaus noch Platz eins erreichen kann. Der FC Wismut Aue ist nunmehr bei gleichem Punktekonto mit fünf Plustoren in der Vorderhand.
Der FSV Zwickau mußte im letzten Punktspiel beim schon faktisch abgestiegenen Tabellenvorletzten Kali Werra Tiefenort antreten. Im Auer Otto-Grotewohl-Stadion wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, da es Hinweise gibt, daß Hooligans ähnlich wie in Zwickau versuchen wollten, den Ablauf des Spieles durch Randale zu stören. Wie Polizeioberrat Horst Schröder, der Leiter des Polizeikreisamtes Aue informierte, werden 200 Polizeikräfte im Einsatz sein, darunter 100 vom Bundesgrenzschutz. Aus Gründen der Sicherheit wird am Sonntag der Eingang zum Stadion aus Richtung Lößnitz geschlossen bleiben. Michael Geßner, der am Mittwoch von Randalierern brutal zusammengeschlagen worden war, erlitt ein Schädelhirntrauma und konnte nicht aufgestellt werden: „Wir haben es jetzt dank unserer sportlichen Überlegenheit in Zwickau in der Hand, den Staffelsieg und damit die Qualifikation für die Relegationsrunde zu erreichen. Da lassen wir keine Luft mehr heran", faßte Aues Trainer Klaus Toppmöller seine Gedanken vor dem Spiel gegen Weimar zusammen.
 Schlagzeile aus der Freien Presse vom 24.05.1991
In diesen übernahm Wismut gegen den Tabellenzehnten Motor Weimar, nach etwas verhaltenem Beginn, schnell die Initiative. Immer wieder über beide Flügel angreifend, wurden zahlreiche Chancen herausgespielt. Das Eckenverhältnis von 25-4 am Ende sagt alles. Eine Menge Bälle strichen wahrlich nur um Haaresbreite an Weimars Tor vorbei, in dem mit Steffen Kraus der Held des Tages stand. Krauß stand später noch lange Jahre im Kasten von Rot-Weiß Erfurt. Doch als in der 37. Minute die Gäste einen Freistoß blitzschnell ausführten, war es der aufgerückte Verteidiger Zeißmann, der das überraschende 0-1 erzielte. Aue, vom Führungstor nicht beeindruckt, konterte sofort. Stefan Persigehl erzielte nach einem schönen Solo zwei Minuten später den verdienten Ausgleich. Drei Minuten später blieb ein Handspiel im Strafraum der Gäste durch den Schiedsrichter ungeahndet. Nach dem Ausgleich besaßen König und Zweigler noch vor der Pause Möglichkeiten zur Auer Führung. Zwickau führte in Tiefenort im Parallelspiel zur Halbzeit mit 4-0 und lag somit wieder an der Spitze. Die zweite Halbzeit begann mit einem wahren Feuerwerk der Platzbesitzer, das König und Medgyes in Tore umsetzten und Aue damit wieder auf Platz 1 schoßen. Zwickau holte mit dem 5-0 und 6-0 in Tiefenort auf. Aue immer noch hauchdünn vorn, dann spülten aber drei Tore in kurzer Folge für Zwickau zum 7-0, 8-0 und 9-0 innerhalb von 3 Minuten den FSV auf den 1. Platz. Auch in der Folgezeit war Aue klar dominierend, aber es reichte nur noch zum 4-1 durch Steven Zweigler (88.). Der Stürmer erinnert sich noch Jahrzehnte später: „Wir haben schnell gemerkt, das es an diesen Tag nicht so einfach war die Tore zu schießen. Schon zur Halbzeit hing bei uns der Segen schief.“
Dabei hatten sich die Auer vorbereitet um immer zu wissen wie es in Tiefenort steht. Denn Handys gab es zu dieser Zeit noch nicht. Nachwuchstrainer Heinz Häcker bekam damals von Geschäftsführer Schmiedel den Auftrag sich auf den Weg nach Tiefenort zu machen. "Mein Fahrer war der Günter Rother von der Wismut. Nach jeden Zwickauer Tor rannte ich dort im Waldstadion Kaffeetälchen ins dortige Sportlerheim um dann den aktuellen Spielstand nach Aue durch zugeben. Während ich telefonierte paßte der Günter auf, den es fielen ja laufend Tore. War wie das Hornberger Schießen in Tiefenort. Im Prinzip war Kali Werra ja schon abgestiegen. Da kam es dann auch vor, kaum das ich am Telefon war, schlug es dann schon wieder im Kasten von Tiefenort ein." Heinz rief dann immer in der Auer Geschäftsstelle an und gab den Spielstand durch. Dieser wurde dann gleich runtergestellt ins Stadion. Aues Stürmer René Hecker, 27 Einsätze und 8 Tore in jener Saison, erinnerte sich an einer Szene in der 2. Halbzeit an der Trainerbank. Toppmöller meinte. „Wir können führen wie wir wollen, es ist sinnlos. Da muß irgendwas laufen in Tiefenort.“ Als auf der Anzeigetafel im Lößnitztal von Aue dann das 9-0 der Zwickauer gegen Tiefenort erschien, stürzte bei Wismut eine Welt zusammen. Es herrschte totale Ruhe im Stadon. Tränen stiegen in die Augen der Spieler und natürlich bei den Fans, währenddessen die Begegnung gegen Weimar noch lief. Trauer, Resignation. Unverständnis. Trainer Toppmöller sprach später in Bezug auf die Bestrafung Zwickaus von einer "fatalen Fehlentscheidung, die uns tief ins Herz trifft." Am Ende fehlten aus Auer Sicht zwei Tore, denn Zwickau hätte bei Gleichheit in der Tordifferenz immer noch die Nase vorn gehabt, weil sie mehr Tore (77) als Aue (73) erzielt hatten. Aues aktueller Rekord-Trainer Gerd Schädlich, damals Trainer in Zwickau: „Wir haben vor unseren Spiel in Tiefenort nur gesagt, das wir von Anfang an Gas gegen müssen und Tore schießen müssen. Erst nach dem Spielende haben wir uns nach dem Ergebnis in Aue erkundigt.“
 Freie Presse nach dem Verbandsgerichtsurteil vom 30.05.1991
Drei Tage später verhandelte das Schiedsgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) ab 11 Uhr, die Vorfälle des Spiels FSV Zwickau gegen Wismut Aue vom 22. Mai. Das Präsidium des FC Wismut hatte gegen das entsprechende Urteil der Rechtskommission des NOFV protestiert und gefordert, den Fall neu zu verhandeln. Das Schiedsgericht als nächsthöhere Instanz kam dem Einspruch nach. Auch gegen die Wertung des ausgefallenen Zwickauer Spiels gegen Suhl (Wertung 2:0) protestierten die Auer noch einmal. Die Suhler hatten wegen beruflicher Verpflichtungen nicht anreisen können. „Ein Wiederholungsspiel wäre zeitlich möglich gewesen, wurde aber nie ernsthaft erwogen", so Aues Geschäftsführer Schmiedel. Auch das Video (4,5 Minuten lang) vom Zwickau-Spiel war vom Gericht nicht akzeptiert worden. Nach dem Drei-Stunden-Verhandlungs-Marathon verkündete der Vorsitzendende Manfred Scheler: „Die Berufung Aues wird abgewiesen. Das Urteil des Sportgerichtes vom 24. Mai gilt. Wismut trägt die Kosten des Verfahrens." Erleichtert und kommentarlos nahm die FSV-Delegation den Richterspruch auf. Tiefe Enttäuschung aber bei den Wismut-Abgesandten. Trainer Klaus Toppmöller verließ grußlos den Saal. Er geht aber als der Trainer in Aues Annalen der keines seiner 18 Pflichtspiele als verantwortlicher Trainer verloren hat. (Burg)
 Titelseite des Auer Stadionprogramms zum letzten Heimspiel der Saison 1990/91 gegen Motor Weimar. Foto: Archiv Burg |
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