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Mai 1995 - Aue gewinnt zweistellig

Dieser Tag ging in der sechsjährigen Geschichte der Fußball-Regionalliga/Nordost als besonderer Tag ein. Zum ersten und einzigen Mal gelang es einer Mannschaft, den Gegner mit einer zweistelligen Niederlage nach Hause zu schicken. Das 10-0 des FC Erzgebirge Aue am 6. Mai 1995 gegen

Aue-Stürmer Danilo Kunze, an jenem 6. Mai vor 25 Jahren fünffacher Torschütze, überwindet Türkiyemspor Keeper Karabacak per Foulelfmeter. Es ist das 3-0.

Türkiyemspor Berlin war das höchste Ergebnis in dieser Spielklasse von 1994 bis deren Ende im Jahre 2000. Diese „englische Woche" wird man in Fußball-Aue wohl nicht so schnell vergessen. Gleich drei Heimspiele am Stück innerhalb von acht Tagen. Zunächst sorgte das 2-3 gegen Union für Ernüchterung im Auer Lager. Dann das frustrierende 1-1 gegen Lok Stendal, das nicht nur Trainer Lutz Lindemann auf die Palme brachte. Doch jene Zuschauer, die nach dem Nachholer am Mittwoch an diesem Sonnabend erneut den Weg ins Erzgebirgsstadion fanden, wurden für ihre Treue zur Auer Mannschaft belohnt. Dabei war keinesfalls abzusehen, daß sich gegen den Berliner Fußballclub Türkiyemspor so ein rauschendes Fußballfest entwickeln würde.

In den Tagen zwischen dem Stendal-Spiel und der Sonnabend-Begegnung setzten sich Mannschaft und Trainer zusammen. Es gab dabei kein Lospoltern, kein Drohen und keine unsachlichen Schuldzuweisungen. In einem „unter die Haut" gehenden Vortrag erzählte Lindemann den Spielern, was Auer Fußball-Traditionen bedeuten, welches besondere Verhältnis zwischen Zuschauern und Mannschaft noch immer in dieser Region besteht. Auch vom Preis einer Eintrittskarte war die Rede, die die vielen arbeitslosen Anhänger Woche für Woche von ihrem Arbeitsamt-Entgelt abzweigen, um ihre Mannschaft spielen zu sehen. Ohne die Leistung gegen den Gegner und auch die Gästeleistung selbst überbewerten zu wollen, scheint sich etwas in den Köpfen der Spieler getan zu haben. Bei Danilo Kunze, um ihn als Beispiel anzuführen, schien es, als schieße er sich mit seinen fünf Treffern den gesamten Frust der Letzten Wochen von der Seele. Auch 25 Jahre später kann sich der heute 48-jährige damalige Torjäger noch gut an diesen Tag erinnern. „Diese fünf Tore in einem Spiel waren in meiner Karriere einmalig. An diesen Tag klappte einfach alles. Es war einfach mein Spiel.“ Seine insgesamt 17 Saisontore in dieser Saison waren schon eine Hausnummer. Damit wurde er interner Torschützenkönig bei den Veilchen. Gleich vier Doppelpacks waren dabei und eben dieser „Fünferpack“ am 30. Spieltag.

Der am 29. Juni 1971 geborene Kunze spielte zwei Serien für die Auer Veilchen, 1994/95 und 1995/96. Er stand dabei in insgesamt 60 Punkt-und fünf Pokalspielen auf dem Rasen. Dabei erzielte er insgesamt 28 Tore. Nach seiner Zeit im Lößnitztal ging Danilo nach Zwickau, das damals in der 2. Bundesliga kickte. Sein damaliger Trainer beim FCE, Lutz Lindemann, war auf den Stürmer aufmerksam geworden, als dieser 1992 bis 1994 für die Amateure des Chemnitzer FC spielte. Kunze hatte aber auch schon Kurzeinsätze bei den Profis der Himmelblauen in der 2. Bundesliga absolviert. 1993/94 spielten Aue und die Amateure des CFC in derselben Amateuroberliga-Staffel Süd. Namentlich im Derby Anfang Mai 1994, das die Erzgebirger mit 1-0 auf der Chemnitzer „Fischerwiese” gewannen, empfahl er sich mit guten Leistungen. „Damals habe ich nicht lange überlegt, als Fußballer will man immer spielen. Habe mir auch keine Gedanken gemacht wegen der Rivalität zwischen dem CFC und Aue”, erinnert sich der heute in Chemnitz lebende Fußballer. Beruflich arbeitet er übrigens für die Wochenzeitung „Blick” beim Verlag Anzeigenblätter, einem Sponsor des FC Erzgebirge Aue. In seiner gesamten Karriere kassierte Danilo Kunze bei all seinen Vereinen nur eine rote Karte. Das war zum Rückrundenauftakt der

Die Auer Mannschaft in der Saison 1994/95

Veilchen Anfang Februar 1995 bei den Reinickendorfer Füchsen für „ein blödes Foul an der Mittellinie. Sonst wäre ich auf alle 34 Spiele in dieser Saison gekommen. So musste ich zwei Spiele aussetzen”. Zum Rivalen nach Zwickau wechselte er aus sportlichen Gründen, in der 2. Bundesliga zu spielen war ja sein großer Traum. Zunächst verlief der Start dort gut, doch zwangen ihn Verletzungspech und starke Konkurrenz in die zweite Reihe. So kehrte der Angreifer nach zwei Jahren beim FSV zum CFC zurück, ging später zum VfB Auerbach. Die aktive Laufbahn beendete Kunze beim BSC Rapid Chemnitz, wo er heute noch bei den Alten Herren als Spielertrainer am Ball ist. „Aus meiner Auer Zeit bleibt mir jede Menge Positives in Erinnerung. Mit vielen Mannschaftsgefährten bin ich noch immer im Kontakt, so mit Jens Haustein und Jens Kempe”, sagt Danilo. „Einen guten Draht gibt es auch zum Schelli-Bäck auf dem Eichert, nicht nur wegen seines guten Stollens”, fügt der 48-Jährige hinzu. Das neue Erzgebirgsstadion wolle er so bald wie möglich mal live erleben.
Nun zurück zum denkwürdigen 10-0 Kantersieg gegen Türkiyemspor Berlin. Nach sieben sieglosen Spielen in Folge war der Erfolg nach 90 Minuten auch in dieser Höhe verdient. Die Veilchen zeigten sich als die klar bessere Truppe, dominierten während des gesamten Spiels. Spätestens nach dem 3-0 klappte bei den Gastgebern alles. Die Gegenwehr der Gäste sank gleichzeitig auf den Nullpunkt. Jedem Auer Spieler merkte man an, daß er für seinen Trainer Lutz Lindemann spielte und kämpfte. Neben dem fünffachen Torschützen Danilo Kunze steigerte sich ein Spieler ganz erheblich Francis Makaya. „Der Afrikaner war eigentlich schon abgeschrieben, aber in den letzten Spielen hat er sich wieder ins Team gespielt. Heute war er der beste Mann auf dem Platz", zeigte sich Lindemann beeindruckt. In der Tat, vom kleinen Wirbelwind gingen im Mittelfeld die meisten Impulse aus. Selbst kaum zu stellen, inszenierte er die entscheidenden Vorstöße. Den Torreigen eröffnete Kunze mit einem Knaller unter die Torlatte (37.). Seinen ganzen Frust der vergangenen Wochen hatte der Stürmer in diesen Schuß gelegt. Sein letztes Tor markierte er vor zwei Monaten, Anfang März, im Heimspiel gegen Zehlendorf.
Mit einem Traumtor, Rietschel traf aus 25 Metern genau ins Dreiangel, stellten die Gastgeber

Nach seinem Fünferpack feiern die Fans Danilo Kunze als Mann des Spiels

kurz vor dem Pausenpfiff die Weichen endgültig auf Sieg. Der erste Angriff nach dem Seitenwechsel brachte das 3-0. Ullmann war im Strafraum zu Fall gebracht worden, Kunze verwandelte den Elfer sicher rechts unten. „Jörg Leonhardt wollte ihn eigentlich unbedingt schießen, aber ich angelte mir das Leder und machte ihn rein,“ erinnerte sich Kunze, der in der Saison zuvor noch in den Diensten vom Chemnitzer FC (Amateure) stand.
Danach fielen die Tore wie reife Früchte. In einer sehr fairen Partie erhielt der Berliner Calkusic wegen Ellenbogenschlags gegen Rietschel die rote Karte (59.). Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde die Begegnung für die Gastgeber zum Trainingsspiel. Auch wenn man das Ergebnis nicht überbewerten sollte, für den Auer Fußball tat dieses Spiel nach der Negativerlebnissen der letzten Wochen richtig gut. „Hut ab vor den 900 Fans, die gekommen sind. Die 10 wunderschönen Tore sind ein Geschenk an unser treues Publikum" , freute sich ein erleichterter Auer Coach.

Aue: Beukert – Seinig - Amadou, Palke - Kempe, Haustein, Rietschel, Makaya, Kunze - Leonhardt, Ullmann
Schiedsrichter: Jens Cyrklaff (Cottbus)
Zuschauer: 900
Torfolge: 1-0 Kunze (37.), 2-0 Rietschel (45.), 3-0 Kunze (46./Foulelfmeter), 4-0 Kunze (53.), 5-0 Ullmann (58.), 6-0 Makaya (70.), 7-0 Amadou (79.), 8-0 Kunze (81.), 9-0 Ullmann (82.), 10-0 Kunze (86.)

Als eine Vertretung des erweiterten Favoritenkreises in die Saison 1994/95 gestartet, legten die Auer in der Hinrunde (20:14 Punkte) für den erzgebirgischen Fußball alle Ehre ein. Ständig im direkten Kontakt zur Spitze, zwischenzeitlich sogar an drei Spieltagen Spitzenreiter,

Ein Artikel in Westsachsen-Sport Regional im November 1994. Foto: Archiv Burg

schienen alle guten Vorsätze sowie die optimistischen Prognosen der Medien Realität zu werden. Umso größer dann die Enttäuschung über eine total verkorkste Rückrunde, die die Veilchen in die Bedeutungslosigkeit versinken ließen. Die 12:22 Punkte reichten in der Rückrunden-Tabelle nur für einen separaten 14. Platz. Sicher waren eine Reihe von Verletzungsausfällen (D. Müller, Ullmann, Weißflog) oder schwankenden Darbietungen der Leistungsträger (Lucic, Kunze, Faßl), sechs „Ampelkarten" und drei Feldverweise leistungsmindernde Begleiterscheinungen, als umfassende Erklärung für den Absturz sind sie allein aber ungeeignet. Nach einigen Einbrüchen ging das Selbstbewußtsein völlig in die Binsen. Am Ende pegelte man sich auf einen 9. Tabellenplatz ein. 53:47 Tore + 32:36 Punkte (11/10/13) lautete die nüchterne Bilanz. 22 Punkte hinter den Ersten und Aufsteiger Jena. So konnte man diese Serie, die letzte mit der Zwei-Punkte-Regel, am Ende nur noch abhaken.

1994 wurde die Regionalliga vom DFB als höchste Amateurliga zwischen 2. Bundesliga und Oberliga und somit als dritthöchste Spielklasse neu installiert. Zunächst waren drei Staffeln (Süd, West/Südwest, Nord/Nordost) geplant, jedoch protestierten die Vereine aus dem Norden und Nordosten, da ihre Staffel flächenmäßig fast die Hälfte des deutschen Bundesgebietes abgedeckt hätte. Der DFB gab ihrem Einspruch recht und etablierte daher jeweils eine eigene Staffel für den Norden und den Nordosten. Freute man sich im Auer Fanlager wieder über Duelle gegen die alten Teams aus DDR-Oberligazeiten wie Carl-Zeiss Jena (Absteiger aus der 2. Liga), BSV Brandenburg (ehemals Stahl), Energie Cottbus oder dem FC Berlin (ehemals BFC), so war die Tatsache, das es insgesamt zu acht (8) Auswärtsspielen nach Berlin gehen mußte, schon eher ein Novum. Dieser Rekord war und ist einmalig in der Auer Historie und wird sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen. Die Zuschauerzahlen stiegen im heimischen Erzgebirgsstadion wieder an. In den 8 Heimspielen in der Liga bis zur Winterpause, hielt man damals für Auer Verhältnisse einen fast fantastischen Schnitt von 3.262 Zuschauer pro Spiel. Durch die schlechte Rückrunde und auch bedingt von zwei Mittwochspielen gegen Cottbus (700) und Stendal (800), fiel der Durchschnitt am Ende auf 2.506. War aber immer noch der beste seit der Saison 1990/91. (Burg)












Aue in den 1990er Jahren-Histo Special
1990-Aues Abschied aus der Oberliga
1990-Klaus Toppmöller
1991-Aues Start im DFB Pokal
1991-Stadionumbenennung
1992-Lutz Lindemann
1992-Wismut Abschiedsfeier
1992-Entlassung Heinz Eisengrein
1992-Letztes Heimspiel vom FC Wismut
1993-Erstes FCE-Spiel
1994-Als die Sprungmatte brannte
1994-Für die neue Regionalliga qualifiziert
1994/95-Achtmal nach Berlin
1995-Trainer Minge
1996-Zweiter Platz im NOFV-Turnier in Magdeburg
1997-Autokorso nach Berlin
1998-Sieg über den Erzrivalen
1998-Elf Uhr Morgens auf dem Ziegelhof
1999-Entlassung Trainer Lieberam
Story Mirko Ullmann
Sven Beuckert Story
Udo Tautenhahn Story
Amadou Story
Mike Faßl Story
Geschrieben von Burg am 27.06.2020, 19:20   (1516x gelesen)