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Saison 1969/70 – Wismut schickt Bezirksnachbar in die Liga

Zum Meisterschaftsauftakt in der höchsten DDR Spielklasse in die zweite Halbserie 1969/70 am 14. März 1970 konnten nur vier von sieben Begegnungen ausgetragen werden, da die Partien BFC - Erfurt, Magdeburg - Vorwärts Berlin und Aue - Zwickau den schlechten Platzverhältnissen zum Opfer fielen. Zwischen dem letzten Oberliga-Punktspieltag der ersten (8. November) und dem Beginn der zweiten Halbserie 1969/70 lagen ewige 18 lange Wochen. Diese wurde nur für die Mannschaften etwas verkürzt, die sich noch im FDGB-Pokal befanden. Ende November 1969 mußte somit auch Aue im Achtelfinale noch ran. Die Runde zuvor, beim Einstieg der Oberligisten in den Pokal, setzte man sich mit einem ungefährdeten 3-0 beim Bezirkspokalsieger FC Karl-Marx-Stadt II durch. Die Tore besorgten vor 3.000 Zuschauern Schaller, Hollstein und Killermann.
Gegen Pokalverteidiger 1. FC Magdeburg reichte es aber nur zu einem 1-1 nach Verlängerung. Dabei hatten die Gäste mit Reisestrapazen und dem EC II-Aus (Cup der Pokalsieger) bei Académica de Coimbra zu kämpfen. Am Mittwoch noch bei 20 Grad Wärme in Portugal spielend, wurden sie vier Tage später in Aue, nach einer strapaziösen Rückreise, mit 8 cm Schneeboden und zwei Grad minus konfrontiert. Im fälligen Wiederholungsspiel, drei Tage darauf in Magdeburg, unterlag Wismut etwas unglücklich bei Schneetreiben durch ein Elfmetertor nach 11 Minuten durch Abraham mit 0-1 und schied aus dem Pokal aus.

Diese ungewöhnlich lange Zeitspanne der Winterpause stellte die Verantwortlichen der Oberliga-Mannschaften vor einige Probleme, weil keine Erfahrungswerte vorlagen. Da in der ersten Halbserie auf Grund einer großen Anzahl von Verletzungen bei Aue, fast nie in einer konstanten Besetzung gespielt werden konnte, ging es dann in der Vorbereitung auf die Rückrunde in erster Linie darum, die schlagkräftigste Formation zu finden. Dabei mussten die jungen Burschen wie Volkmar Hollstein (24 Jahre), Franz Weiß (25) und Frank Espig (20), die in den letzten Punktspielen der Hinrunde schon einige Male eingesetzt wurden, den Nachweis erbringen, ob sie Ansprüche auf einen Stammplatz geltend machen können.

Die Veilchen starteten somit mit einer Woche Verspätung erst am 21. März in die Rückrunde. Zwar verloren die Mannen von Trainer Gerhard Hofmann beim Aufsteiger Dynamo Dresden mit 0-3 und befanden sich auf Platz 11 mit 11:17 Punkten in der unmittelbaren Abstiegszone, zusammen mit dem 12. FCK (11:19 Punkte) sowie 13. Rostock (11:19). Neuling Stahl Eisenhüttenstadt war zu diesen Zeitpunkt auf dem letzten Platz (8:22) schon etwas abgeschlagen. Durch den Aufstieg der BSG Stahl Eisenhüttenstadt war mit dem Bezirk Frankfurt 20 Jahre nach dem Start der Oberliga auch der letzte DDR-Bezirk wenigstens eine Saison in der obersten Spielklasse vertreten. Alle anderen Bezirke hatten bereits vorher Oberligisten gestellt.
Wismut-Cheftrainer Gerhard Hofmann ließ vor dem Anpfiff des nächsten Heimspiels am Karfreitag (27. März) keinen Zweifel daran, daß sich seine Elf für die Dresdener Niederlage gegen den amtierenden Meister Vorwärts Berlin unbedingt rehabilitieren wollte. Wismut zeigte sich auch nicht vom Rückstand durch Begerad in der 31. Minute schockiert. Bernd Bartsch konnte schon sechs Minuten später zum Ausgleich einschieben. Der Ausgleich machte bei der Wismut-Elf neue Energien frei. Jetzt spielte die Elf schneller, energischer, druckvoller. Ja, Nöldner mußte sogar zwei Minuten nach dem 1-1 als letzter Mann vor dem eigenen Tor retten. Dennoch verstanden es die Berliner immer wieder, sich geschickt aus der Defensive zu lösen und über Begerad, Laslop und Körner für Entlastungsangriffe zu sorgen. Die zweite Halbzeit eröffnete der FC Vorwärts im Otto-Grotewohl-Stadion, auf schneebedeckten und tiefen Boden, mit einem Paukenschlag. Am linken Flügel bereitete Pfefferkorn, mit einem Dribbling an Schaller vorbei, den erneuten Führungstreffer (49.) für die Gäste vor. Laslop schoß aus 14 Metern ab, und Spitzner fälschte das Leder für Torwart Fuchs unerreiehbar in die entlegene Ecke ab. Dieser Treffer verlieh dem Meister noch mehr spielerische Sicherheit. Wismut glich dagegen die Partie Mittelfeld mit

Programm vom Auswärtsspiel bei Chemie Leipzig in der Hinrunde

enormem Kampfgeist aus. Einen Freistoß von Spitzner, konnte Vorwärts-Torwart Zulkowski nur abklatschen. Stürmer Zink war zur Stelle und stieß den Ball zum 2-2 Endstand ins Netz (75.). Dieser Punkt war wichtig für Wismut, denn ganz unten behielt der Letzte Eisenhüttenstadt mit dem 2-1 Heimsieg im Kellerduell gegen den Vorletzten FCK die Oberhand und hatte wieder Kontakt zu den Nichtabstiegsplätzen. Aue konnte durch den Nachholer gegen Zwickau, unter der Woche am Mittwoch den 1. April Boden gutmachen. Wenn Trainer Hofmann das Unentschieden gegen den FC Vorwärts für ein Resultat hielt, „das Selbstvertrauen vermittelte, neue Energien freimachen wird", so dachte er dabei nicht zuletzt an das bezirksinterne Derby gegen den alten Rivalen Sachsenring Zwickau. „Beim 0-3 in Dresden war die Umgewöhnung an normale Spielbedingungen einfach noch nicht wieder vorhanden", erläuterte er. „Gegen Meister Vorwärts spürte ich schon eine deutliche Steigerung, so daß wir gegen Zwickau schon gerüstet erscheinen." Wismut mußte sich aber auf eine harte, konsequente Gegenwehr gefaßt machen, denn der Tabellenvierte konnte zu diesen Zeitpunkt auf die zuverlässigste Abwehrreihe verweisen, die bisher erst elf Gegentreffer in 15 Spielen zuließ.

Hohes Tempo und enormer kämpferischer Einsatz auf beiden Seiten drückte vom Anpfiff an dem 40. traditionellen Bezirksderby seinen Stempel auf. Die Gastgeber, die den starken Wind und die Sonne als Bundesgenossen im Rücken hatten, starteten sofort mit Volldampf. Bereits nach drei Minuten gab es durch Schaller die erste große Chance. Vier Ecken in den nächsten Minuten drückten weiter das enorme Drängen der Wismut-Elf aus, ehe die fünfte nach einer Viertelstunde den Führungstreffer brachte. Schaller hatte an der linken Eckfahne den Ball nur kurz auf Kaufmann abgelegt und in dessen scharfe, flache Eingabe rutschte Einsiedel hinein und vollendete aus wenigen Metern. Die Gäste hatten sich von diesem Schock noch nicht erholt, als Zink nach einer schönen Dublette mit Einsiedel durchmarschieren konnte und bereits vier Minuten später am herausstürzenden Croy vorbei den zweiten Treffer markierte. Gegen die nun mit Vehemenz anstürmenden Erzgebirgler, für die Schaller, Bartsch, Kaufmann und Pohl ständig für Ballnachschub sorgten und Weiß, Zink und Einsiedel im Angriff ständig in Bewegung waren, zeigte die

sonst so sichere Sachsenring-Abwehr sichtlich Wirkung. So verhinderte in der 26. Minute nur der Pfosten nach einem Weiß-Kopfball das 3-0, und drei Minuten darauf vollbrachte Croy eine Glanzleistung als er einen Direktschuß von Weiß, aus Nahdistanz abgegeben, noch reaktionsschnell mit einem Spagatschritt um den Pfosten lenkte. Sachsenring Cheftrainer Horst Scherbaum kommentierte zur Pause: „Eine verdiente Führung die Wismut-Mannschaft, die ihrer ungünstigen Tabellensituation offensichtlich weiß, worum es geht. Wir fanden noch nicht zu unserem Spiel."

Nach dem Wechsel kamen die Gäste zwar besser ins Spiel und erzielten zeitweise auch Gleichwertig im Mittelfeld. Aber den weitaus gefährlicheren, druckvolleren und schußentschlosseren Angriffsfußball bot die Wismut-Elf, in der sich Schaller und Bartsch im Mittelfeld eindrucksvoller in Szene setzten. Im Angriff imponierte vor allem der ungemein laufstarke, im Dribbling

Auswärtsspiel beim HFC. Foto: Schwarzer

nur schwer vom Ball trennende Einsiedel. Die Sachsenring-Elf beging den Fehler, die Bälle zumeist hoch nach vorn in den Angriff zu schlagen, wo einfach keine Effektivität erreicht wurde. Andres dagegen die Gastgeber, die die Räume in der Sachsenring-Deckung immer wieder klug zu gefährlichen Konterangriffen nutzten. So fiel auch der dritte Treffer in der 67. Minute, herrlich herausgespielt war. Nach einer schönen Ablage von Weiß zog Schaller am linken Flügel bis Grundlinie durch, und seine Eingabe drückte wiederum der mitgelaufende Einsiedel an Schlußmann Croy vorbei in die rechte Ecke.

Wismut punktete sich mit diesen 3-0 Sieg damit weiter unten raus. Im heimischen Stadion (0-2 gegen BFC) sowie auswärts (0-2 HFC Chemie) gingen danach bis Saisonende nur noch je 1 Partie verloren. Auswärts gewann man die letzten vier Spiele, wobei das Spiel am letzten Spieltag eigentlich auf neutralen Platz im Halleschen Kurt-Wabbel-Stadion stattfand.
Dorthin mußte der Meister von 1967, der FC Karl-Marx-Stadt, ausweichen weil er eine Platzsperre verhängt bekommen hatte. Die Rechtskommission des DFV der DDR verhandelte wegen einiger Vorkommnisse beim FDGB-Pokalspiel zwischen dem FC Karl-Marx-Stadt und dem FC Vorwärts Berlin am 14. Mai 1970. „Gegen den FC Karl-Marx-Stadt wird eine Platzsperre für alle Spiele der Oberligamannschaft für die Zeit vom 11. Mai 1970 bis einschließlich 10. Juni 1970 verhängt. Das Oberliga-Punktspiel Nr. 164 zwischen dem FC Karl-Marx-Stadt und dem 1. FC Magdeburg findet am 20. Mai 1970, 17.00 Uhr, im Leninstadion in Altenburg statt. Das Oberliga-Punktspiel Nr. 178 zwischen dem FC Karl-Marx-Stadt und der BSG Wismut Aue findet am 30. Mai 1970, 15.00 Uhr, in Halle/Sa. im Kurt-Wabbel-Stadion statt.“

Aue, schon lange im sicheren Mittelfeld, kannte an diesen Tag keine Gnade und schickte den unbeliebten Bezirksnachbar mit einem 2-1 Sieg in die Liga. Keine Frage, das die mitgereisten Auer Fans, dies mit allen „Nebengeräuschen“ auskosteten. Die ganze Woche vor diesen letzten Saisonspiel war Aue in einem Rausch. Man konnte den ungeliebten Erzfeind den Gnadenstoß versetzen. Für ein paar Mark der DDR hatte man die Möglichkeit die Busfahrkarte nach Halle zu lösen, der Andrang war sensationell. Am Samstag, 9 Uhr, war Treffpunkt beim Brause-Fleischer in Aue zur Abfahrt. Unvorstellbare über 4.000 Auer Anhänger fuhren nach Halle. In alten Wismut-Bussen, teilweise mit Sattelschleppern, Autos und der Bahn. Egal wie, Hauptsache nach Halle. Der DFV (Deutscher Fußball Verband der DDR) hatte mit allem gerechnet, aber mit solchen Massen beim besten Willen nicht. In Halle erlebten die Karl-Marx-Städter Spieler, Funktionäre und Bonzen das Unglaubliche. Dabei hatte FCK-Trainer Bringfried Müller noch vor der Saison getönt: „Wir wollen in den nächsten zwei Jahren eine Mannschaft formieren, die an das höhere internationale Niveau findet."


Die zeitgleiche 0-1 Niederlage von Rostock in Zwickau blieb ohne Konsequenten. Hansa rettete sich, weil der FCK mit mindestens vier Toren Unterschied gegen Aue gewinnen mußte, bei einer gleichzeitigen Rostocker Niederlage. Das hätte dann aber ein Entscheidungsspiel zwischen Hansa und dem FCK bedeutet, das die damalige Spielordnung bei Punktgleichheit und gleicher Tordifferenz verlangte. Der andere Absteiger war Oberliga-Neuling Eisenhüttenstadt. Stahl konnte nicht mit den anderen Teams mithalten und belegte ab dem 13. Spieltag bis zum Schluss den letzten Tabellenplatz. Erst 1989 spielte Eisenhüttenstadt wieder in der Oberliga. Zwei Runden vor Saisonende macht der FC Carl Zeiss Jena mit einem 1:1 in Zwickau seinen dritten Titel perfekt. Ganze drei Niederlagen nur muss die Mannschaft um Kapitän Roland Ducke einstecken und bleibt von Runde 11 an in 16 Spielen (11 Siege, 5 Unentschieden) ungeschlagen. Vor allem Titelverteidiger FC Vorwärts wird in beiden direkten Duellen (3:1 zu Hause, gar 5:0 in Berlin) deutlich auf Distanz gehalten.

Wismut Aue wurde am Saisonende 7. mit 27:25 Punkten. Konrad Schaller, Manfred Weikert und Dietmar Pohl standen bei allen 26 Punkt- und 3 Pokalspielen auf dem Platz. Beste Punktspiel-Torschützen waren: Bernd Bartsch mit 7, Ernst Einsiedel mit 6 und Klaus Zink mit 5 Toren. (Burg)

Aue in den 1970er Jahren - Histo Special
1970/71-Fastabstieg
1971/72-Lange Winterpause
1972-Fuwo Pokal
1972/73-Elfer Spezialist Dietmar Pohl
1973/74-Wismut im November 1973
1973/74-Saisonende schon Anfang April
1973/74-Die neue Sporthalle
1974/75-Aufregung um ein Tor
1974/75-FDGB-Pokal Halbfinale Hinspiel
1974/75-FDGB-Pokal Halbfinale Rückspiel
1975/76-Dezember in Halle
1976/77-Das 1.000 Oberliga Tor
1976/77-Abstiegsgefahr gebannt
Story Günter Seinig
Story Andreas Pekarek
1977/78-Früher Klassenerhalt
1978/79-Schlechter Start-Starker Endspurt
1979-Junge Welt Pokalsieger
Thomas Teubner Story
Frank Espig-Hauer im Schacht
Dietmar Pohl-kompromissloser Verteidiger
Ernst Einsiedel-Aues Dribbler
Dieter Schüßler aus Limbach
Geschrieben von Burg am 20.03.2020, 19:17   (2153x gelesen)